Messkelch



Messkelch


Inventar Nr.: KP B II.27
Bezeichnung: Messkelch
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung: 14./15. Jh., Nodus; 16. Jh., Kuppa und Standfuß
Objektgruppe: Gefäß / Tafelgeschirr / Tafelgerät
Geogr. Bezug: Hessen (?)
Material / Technik: Silber, vergoldet, getrieben, gelötet, ziseliert, graviert; Email
Maße: Dm Fuß 12,3 cm (Durchmesser)
15,1 cm (Höhe)


Katalogtext:
Der Abendmahlskelch, dessen Zustand bis heute Rätsel aufgibt, besteht aus älteren und jüngeren Elementen. Spätmittelalterlich ist der sog. Nodus, die Verdickung am Schaft, auf dem die Buchstaben I h E S V S zu lesen sind. Moderner in Form und Dekor dürften der Standfuß und möglicherweise auch die Kuppa sein, die im 16. Jahrhundert mit dem Nodus kombiniert worden sein könnten. Die auffälligen durchbrochenen Stellen im Fuß dürften auf spätere Veränderungen zurückgehen. Vermutlich enthielten sie einst Medaillons mit Szenen der Passion oder der Darstellung von Evangelistensymbole, wie dies von anderen Messkelchen belegt ist. Allerdings waren die Medaillons bereits 1827 verloren, da das Inventar dieses Jahres von einem "durchbrochenen Fuß" spricht und keine weiteren Zierelemente erwähnt.
Zur Herkunft des Kelches gibt es widersprüchliche Angaben. Rudolf-Alexander Schütte zitierte ein Aktenstück, wonach er aus dem Besitz der Thurnhosbacher Gemeinde (Kr. Werra-Meißner) stammt. 1784 war von dort ein Kelch zum Einschmelzen eingeliefert worden, um aus dem gewonnenen Silber einen neuen Kelch herzustellen. Dank der Denkmalverordnung vom 22. Dezember 1780, die es erlaubte, wichtige Kunstwerke für das Museum Fridericianum zu gewinnen, wurde er „seiner Antiquität wegen“ für das Museum angekauft (Schütte 2003, S. 27).
Die Identifikation des Kelchs mit durchbrochenem Fuß mit jenem aus Thurnhosbach ist allerdings keineswegs sicher, denn der Kelch mit durchbrochenem Fuß wird bereits im sog. Französischen Inventar (um 1780) als „un latice d'argent doré avec ces lettres: IhESVS“ erwähnt. Als eines der wenigen liturgischen Geräte befand er sich in der ansonsten von profanem Silber geprägten landgräflichen Sammlung. Möglicherweise stammt der Kelch daher aus altem landgräflichen Besitz, vielleicht sogar aus einer der Hofkirchen.
Fragen wirf auch der Fuß des Kelchs auf, aus dem einst vorhandene Medaillons offenbar nachträglich entfernt wurden, worauf einstige Versetzmarken sowie das Fehlen von Dekor und Vergoldung in diesem Bereich hindeuten. Der Grund für diesen entstellenden Eingriff ist nicht bekannt, doch könnte er möglicherweise in der hessischen Geschichte zu suchen sein. Im Jahr 1605 führte Landgraf Moritz der Gelehrte mit den sog. „Verbesserungspunkten“ Grundsätze der calvinistisch-reformierten Kirche in Hessen-Kassel ein. Sie korrigierten den Lehre Martin Luthers in zentralen Punkten, unter anderem in der Bewertung von Bildwerken in der Kirche. Hatte Luther das Bilderverbot der Zehn Gebote („Du sollst Dir kein Gottesbild machen“) noch als Teil des ersten Gebots angesehen und Bilder in Kirchen geduldet, werteten die Theologen der reformierten Kirche das Bilderverbot als ein eigenes Gebot, das strikt zu beachten war. Die Folge war ein Bildersturm, in dessen Verlauf Kruzifixe, Heiligenfiguren und andere Bildwerke zerstört, entfernt oder beschädigt wurden und der ober- und niederhessische Kirchen weitgehend ihres altkirchlichen Bilderschmucks beraubte. Die Entfernung von Medaillons mit vermutlich figürlichen Darstellungen vom Fuß des Kelchs könnte im Kontext dieses Bilderverbot zu sehen sein. Als Symbol Christi blieb nach diesem Eingriff lediglich dessen Name auf den vorspringenden Rhomben des Nodus erhalten.
(12.2.15, Antje Scherner)



Literatur:
  • Appel, Friedrich: Hand=Katalog der Sammlungen des kurfürstlichen Museums für den Gebrauch beim Besuche desselben, aufgestellt vom Museums-Inspector Friedrich Appelt. 1849, S. 42, Kat.Nr. 37.
  • Drach, C. Ahlhard: Aeltere Silberarbeiten in den Königlichen Sammlungen zu Cassel. Mit urkundlichen Nachrichten und einem Anhang: Der Hessen-Casselsche Silberschatz zu Anfang des 17. Jahrhunderts und seine späteren Schicksale. Marburg 1888.
  • Schmidberger, Ekkehard; Richter, Thomas; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: SchatzKunst 800-1800. Kunsthandwerk und Plastik der Staatlichen Museen Kassel im Hessischen Landesmuseum. Wolfratshausen 2001.
  • Schütte, Rudolf-Alexander: Die Silberkammer der Landgrafen von Hessen-Kassel. Bestandskatalog der Goldschmiedearbeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel - Wolfratshausen 2003, S. 27, Abbildung S. 29.
  • Scherner, Antje [Bearb.]; Cossalter-Dallmann Stefanie [Bearb.]: Aus der Schatzkammer der Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Petersberg 2016, S. 40, Abbildung S. 41, Kat.Nr. 11.


Letzte Aktualisierung: 20.01.2023



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