Willkomm der Grafen von Katzenlnbogen "Katzenelnbogischer Willkomm"
Willkomm der Grafen von Katzenlnbogen "Katzenelnbogischer Willkomm"
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Inventar Nr.:
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KP B II.37 |
Bezeichnung:
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Willkomm der Grafen von Katzenlnbogen "Katzenelnbogischer Willkomm" |
Künstler / Hersteller:
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unbekannt
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Datierung:
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vor 1453 |
Objektgruppe:
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Gefäß |
Geogr. Bezug:
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Köln (?) |
Material / Technik:
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Silber, gegossen, getrieben, graviert, vergoldet; rotes, opakes Email |
Maße:
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40,8 cm (Höhe) 27,2 cm (Durchmesser) 5017 g (Gewicht)
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Katalogtext:
Die prachtvolle Kanne aus vergoldetem Silber gilt als eines der bedeutendsten Profangefäße des Spätmittelalters in Europa. In kostbarem Material ahmt sie eine eine geböttcherte Bier- oder Wasserkanne, also einen Alltagsgegenstand nach, wie die Andeutung von beschnitzten Dauben und die Wiedergabe der sie umschließenden Rutenreifen belegen. Der unbekannte Goldschmied schmückte die Kanne mit phantasievollen Details, die für sich Aufmerksamkeit verdienen: Drei hohe Standfüße und die Daumenrast sind als Miniaturgebäude aufgefasst und stellen Stadttore sowie ein Torhäuschen dar. Weiterhin sind winzige Türen mit minutiös wiedergegebenen Beschlägen und Türklopfern, hochgezogene Fallgitter, eine angelehnte Durchgangstüre oder Fenster mit offenen Läden zu erkennen. Große Sorgfalt verwendete der Meister auch auf die Tülle, die er als geflügeltes Fabeltier mit Adlerkopf und Hundeohren gestaltete. Das struppige Federkleid des Mischwesens tritt in reizvollen Kontrast zu der fein gravierten Oberfläche des Kannenkörpers, sodass sich ein Spiel zwischen plastischen und flächigen Zierformen ergibt. Im Katzenelnbogischen Willkomm schuf der unbekannte Goldschmied zweifellos ein Meisterwerk höfischer Kunst, über dessen konkrete Verwendung allerdings – wie so oft – Unklarheit herrscht. Im Inneren hat sich eine Säule erhalten, in die ein (verlorener) Siebeinsatz für Gewürze eingeschraubt werden konnte. Die Kanne diente daher vermutlich für warmen Gewürzwein, der mittels eines unter den Kannenboden geschobenen Kohlebeckens temperiert wurde. Ihre Bezeichnung als „Wilkomb“ im Silberinventar von 1591 legt zudem nahe, dass man sie im Zusammenhang mit dem zeremoniellen Willkommenstrunk verwendete, den man Gästen zu Beginn einer festlichen Zusammenkunft reichte.
In den Besitz der Landgrafen von Hessen-Kassel gelangte der Katzenelnbogische Willkomm wie auch die Seladonschale (Kat.-Nr. 3) aus dem Silberschatz der Grafen von Katzenelnbogen. Landgraf Heinrich III. in Oberhessen (1441–1483) hatte mit Anna von Katzenelnbogen (1443–1494) die Alleinerbin der wohlhabenden Grafschaft am Rhein geheiratet und konnte 1479, nach dem Tod des Schwiegervaters, Ländereien, Kunstbesitz und Vermögen des erloschenen Grafengeschlechts seiner Landgrafschaft einverleiben. Die Seladonschale und der Willkomm sind seitdem in den landgräflichen Silberinventaren verzeichnet. Die Prachtkanne wurde bei der Erbteilung Hessens im Jahr 1567 Philipp dem Jüngeren (1541–1583) zugesprochen, der die ehemalige Niedergrafschaft Katzenelnbogen mit der Festung Rheinfels erhielt. Der Willkomm und das Territorium Hessen-Rheinfels wurden damals offenbar als zusammengehörig angesehen, was sich auch daran zeigt, dass Wilhelm IV. seine Brüder für deren Anteile an der Kanne entschädigte und so ihre Weitergabe an Philipp ermöglichte. Nach dem Tod Landgraf Philipps 1583 wurde das Gebiet von Hessen-Rheinfels auf die übrigen drei hessischen Territorien aufgeteilt. Der größte Teil fiel an Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel. Der Willkomm, der damals vielleicht als Symbol für die Niedergrafschaft Katzenelnbogen angesehen wurde, gelangte erneut in die landgräfliche Silberkammer nach Kassel, wo er seit 1591 lückenlos nachweisbar ist.
(10/2016 Antje Scherner in: Kat. Kassel 2016)
Literatur:
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- Leitermann, Heinz: Deutsche Goldschmiedekunst. das Gold schmiedehandwerk in der deutschen Kunst-und Kulturgeschichte. In: (Urban-Bücher 8) (1953), S, Abbildung S. Taf.31.
- Hackenbroch, Yvonne: Chinese Porcelain in european silver mounts. In: The Connoisseur 135 (1955), S, Abbildung S. Taf.3.
- Kohlhaussen, Heinrich: Geschichte des Deutschen Kunsthandwerks. In: (Deutsche Kunstgeschichte V.) (1955), S, S. 228, Kat.Nr. 191.
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Letzte Aktualisierung: 03.07.2024